Foto:KMZ Ue  

"Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen!"

George Santayana

Erzählcafés

Ein zentrales Element der Arbeit der Geschichtswerkstatt Uelzen e. V. sind die Erzählcafes. Ein Generationenwechsel machte es möglich, dass sich heute viel offener und ehrlicher über die dunkle Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland auseinandersetzen lässt. Der Dialog zwischen den Generationen kann nun mitten in der Gesellschaft geführt werden und so auch dazu beitragen, manch "weiße Flecken" in der lokalen Geschichte aufzuhellen.
Eine wesentliche Unterstützung erhielt die Geschichtswerkstatt von der St. Johannisgemeinde Uelzen, die ihre Räumlichkeiten für die Erzählcafes zur Verfügung stellte.
 

1. Erzählcafé - Pressebericht

Thema: "BDM Schön war die Zeit?"
Termin: 25. Februar 2001
Teilnehmende: Almut Schröder geb. Vogler
Moderation: Dietrich Banse, Gerard Minnaard

Almut Schröder, Jahrgang 1914, war die erste Führerin der Uelzener Ortsgruppe des Bundes Deutscher Mädel (BDM). Etwa 15 Mädchen hatten der Organisation zu Beginn angehört. Volkstänze und Lieder hatten auf dem Programm gestanden, bevor politische Inhalte Einzug hielten. Mit vordergründig harmlosen Lieder- und Volkstanzveranstaltungen wurden die Mädchen manipuliert und für die Politik der Nazis indoktriniert.
Auch im eigenen Verhalten äußerte sich das: Eindrucksvoll schilderte Schröder während des Erzählcafes, wie sie in ihrer damaligen Funktion als Führerin der BND-Ortsgruppe dafür sorgte, dass eine jüdische Mitschülerin am Lyzeum durch den Direktor ihres Platzes neben einer BDM-Schulführerin verwiesen wurde. "Es war mir so unangenehm", so die Aussage von Schröder dazu, "Hanna war nämlich ein Mädchen aus der Nachbarschaft, mit dem ich oft gespielt hatte, aber Befehl war Befehl".

Fast 100 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die Ausführungen und die sich anschließende Diskussion.
 

2. Erzählcafé - Pressebericht

Thema: "Kriegsende: Bedrohung oder Erleichterung?"
Termin: 29. April 2001
Teilnehmende: Frau Ehnert, Frau Prehm
Moderation: Dietrich Banse, Michael Türk

Die Uelzener Geschichtswerkstatt lud am 29. April in die Gemeinderäume der Johanniskirche und über 100 Interessierte kamen. Frau Ehnert und Frau Prehm, zwei Uelzener Zeitzeuginen, stellten sich Fragen zum Thema Kriegsende in Uelzen. Vorgeführt wurden außerdem zwei Wochenschauberichte der Allierten, in denen zum einen die Bombardierung im Februar 1945, zum anderen die Einnahme der Stadt Uelzen durch britische Truppen gezeigt wurde.
Die Diskussion zeigte deutlich, wie tief die Geschehnisse jener Zeit noch in den Köpfen der Zeitzeugen verankert sind. Für viele war es unvorstellbar, dass "die Heimat" derart in den Krieg hineingezogen wurde, war der Krieg durch die NS-Propaganda doch seit vielen Jahren glorifiziert und verharmlost worden. Nun erfuhr die deutsche Bevölkerung am eigenen Leibe, was es bedeutete, dem Bombenhagel ausgesetzt zu sein.
Die Einnahme der Stadt Uelzen wurde von vielen Menschen als Niederlage empfunden. Erst später erkannten sie die positiven Momente des Systemwechsels.
Dietrich Banse erinnerte daran, dass für die vielen tausend Zwangsarbeiter im Kreis Uelzen die Einnahme der Stadt am 18. April 1945 die Freiheit bedeutete. Für hunderte von KZ-Häftlingen des Außenlagers Neuengamme jedoch kam sie zu spät: Sie wurden wenige Tage vor der Einnahme auf die Reise in den Tod geschickt, damit bei der Einnahme Uelzens keine Spuren von Ihnen zu finden sei.
 

3. Erzählcafé - Pressebericht

Thema: "Flüchtlinge Nur (einmal)Opfer?"
Termin: 24. Juni 2001
Teilnehmende: Christa Leifert
Moderation: Dietrich Banse, Gerard Minnaard

Als Zeitzeugin berichtete Christa Leifert, Zeitzeugin und Frau des ehemaligen Bürgermeisters von Uelzen, Günter Leifert, über ihre Flucht aus Ostpreußen in den Westen Deutschlands. Vielen Besuchern ist Frau Leifert bereits aus ihrem eindrucksvollen Buch "Und Morgen fahren wir nach Laugallen" bekannt. Dass dieses Thema auf großes Interesse stieß, zeigte die große Teilnehmerzahl. Dem dicht gedrängten Publikum wurde eindringlich die Flucht der Familie geschildert. Viele der Besucher fühlten sich dadurch an eigene Erfahrungen aus der Zeit erinnert. Mitte 1944 begann die Flucht der Familie gen Westen, 30km pro Tag. Zahlreiche Aufgriffe durch russische Truppen, die durch die Rückführung in den Osten begleitet waren, führten zu einer verzweifelte Situation: Kälte und Hunger führten zu einem existentiellen Überlebenskampf. Erst 1948 gelangten Christa Leifert und ihre Mutter in den Westen, nach Gifhorn, wo die Familie wieder vereint wurde für Christa Leifert eines von vielen Wundern, die ihren Glauben bis heute bestärken.
 

4. Erzählcafé - Pressebericht

Thema:. "Flüchtlinge in Uelzen Zwischen Bangen und Hoffen"
Termin: 28. Oktober 2001
Teilnehmende: Hannelore Ohlms, Gisela Ahlers, Ellen Schulz
Moderation: Dietrich Banse, Gerard Minnaard

Für Tausende von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen war Uelzen nach dem zweiten Weltkrieg die erste Station nach ihrer Vertreibung aus den Ostgebieten Deutschlands. Drei Zeitzeugen berichteten davon, über ihre Erfahrungen, - negative und positive die sie bei der Ankunft in Uelzen machten, wie es sich im Flüchtlingslager Bohldamm lebte, und warum sich viele Vertriebene entschlossen, im Landkreis Uelzen zu bleiben.
 

5. Erzählcafé - Pressebericht

Thema:. "Im Gespräch mit Frau B. Linde Weiland Eine deutsche Jüdin erzählt"
Termin: 10. Februar 2002
Teilnehmende: B. Linde Weiland
Moderation: Dietrich Banse, Gerard Minnaard

Frau Weiland hat als Mitautorin in dem Buch "Die Geschichte der Juden in Nordostniedersachsen" umfangreiche Nachforschungen über die Juden in unserer Region veröffentlicht. Die Begräbnisplätze sind eines der letzten Zeugnisse des jüdischen Gemeindelebens in Deutschland.
Frau Weiland ist heute als Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Fulda tätig. Im Gespräch gab sie nicht nur Auskunft über die Geschichte der jüdischen Gemeinden in der Region Uelzen, sondern sie erklärte die Unterschiede auch und weckte dadurch Verständnis für die Unterschiede in den Glaubensvorstellungen, die sich eben auch in den Begräbnisritualen und- stätten ausdrücken.
Ergänzt wurde das Erzählcafe durch eine Führung über den jüdischen Friedhof in Uelzen durch Frau Weiland, an der sich ca. 70 Personen beteiligten.
 

6. Erzählcafé - Pressebericht

Thema:. "Hauptmann Marquardt Ein Mord"
Termin: 20.März 2003
Teilnehmende: Dieter-J. Marquardt
Moderation: Dietrich Banse, Gerard Minnaard

Gast des Erzählcafes war Dieter-Jürgen Marquardt, der Sohn des am 15. April 1945 in Uelzen von einem deutschen Offizier erschossenen Hauptmann Erich Marquardt (Foto). 16 Jahre lang lebten Sohn, Bruder und Ehefrau des Hauptmanns im Ungewissen über das Schicksal des Vaters und Ehemannes. Erst 1961 informierte das Deutsche Rote Kreuz die Familie darüber, dass Erich Marquardt in Uelzen erschossen worden ist. Offizielle Begründung lautete "Unberechtigtes Entfernen von der Truppe". Vieles spricht jedoch dafür, dass er Uelzen zwei Tage vor dem Sturm auf die Stadt kampflos übergeben wollte um Menschenleben zu retten. Diese Ansicht wurde von Anwesenden des Erzählcafes bestätigt. Die Erschießung kann daher durchaus als Mord gewertet werden. Besonders dramatisch ist die Art und Weise, wie mit dem "Fall Marquardt" umgegangen wurde: Desinformation und Unklarheiten über die Grabstätte legen den Verdacht nahe, dass die Verantwortlichen Marquardt lange Zeit als Schuldig und Deserteur betrachtet hatten.
 

7. Erzählcafé

Thema:. "Zwangsarbeiterinnen- und Zwangsarbeiter Fünf Schicksale"
Termin: 28. April 2004
Teilnehmende: Frau Kobzar, Herr Milko, Frau Yeromina, Herr Dudarchuk, Frau Babenko
Moderation: Dietrich Banse, Gerard Minnaard

Im Rahmen der Begegnungswoche mit ehemaligen ukrainischen Zwangsarbeiterinnen- und Arbeitern fand das Erzählcafe großen Zulauf. Rund 100 Zuhörerinnen- und Zuhörer verfolgten die Schilderungen der Gäste, die von einer Dolmetscherin übersetzt wurden. Die Zuhörer erhielten eine differenzierte Schilderung über die damalige Situation der Betroffenen, die sich von körperlicher Gewalt bis zur freundlichen Behandlung, gar familiäre Aufnahme erstreckte. Aber die Gäste berichteten auch von ihren Empfindungen und Eindrücke, die sie nach dieser langen Zeit über Deutschland hatten. Erschütternd waren auch die Erlebnisse über den Transport nach Deutschland, die Arbeitsbedingungen in der Munitionsfabrik Bodenteich, aber auch über die Behandlung in der Heimat nach der Rückkehr.
Ein Protokoll der Veranstaltung finden Sie in Heft 1 der Schriftenreihe zur Zeitgeschichte "Zwangsarbeiter im Kreis Uelzen Eine Begegnungswoche".
 

8. Erzählcafé - Pressebericht

Thema: "Kriegsende in Uelzen Aus unterschiedlichen Sichtweisen"
Termin: 17. April 2005
Teilnehmende: Lambertus Inres, Hans-Jürgen Meyerhoff, Elisabeth Oelkers
Moderation: Dietrich Banse, Gerard Minnaard

Es war beeindruckend, die unterschiedlichen Sichtweisen zum Kriegsende in Uelzen aus dem Munde von sehr verschiedenen Protagonisten zu erleben: Herr Meyerhoff, als ehemaliger Soldat, Frau Oelkers als damalige Lehrerin, Herr Intres als ehemaliger Zwangsarbeiter. Herr Intres, der durch seine Tochter und seinen Schwiegersohn begleitet wurde, schilderte eindringlich seine Erlebnisse während der Zwangsarbeiter-Zeit, aber auch über die lebenslangen psychischen und physischen Folgen. Herr Meyerhoff berichtete von der Selbstverständlichkeit, mit der er damals seiner Pflicht als Soldat nachkam, dieses sogar als eine Art "Abenteuer" verstand. Frau Oelkers beschrieb, wie sie den Einmarsch der Allierten erlebte und wie sie darauf reagierte.
 

 
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